Intermezzo Wandersleben

7. August 2016

 

Das Altbachische Archiv

Zu Johann Sebastian Bachs unmittelbarem Nachlass gehörten auch die handschriftlich überlieferten Noten von rund 20 Kompositionen seiner Vorfahren, vor allem von den Brüdern Joh. Christoph (1642–1703) und Joh. Michael Bach (1648–1694), Söhne von Heinrich Bach (1615–1692) und Vettern von Sebastians Vater Joh. Ambrosius (1645–1695).

Diese seit dem späten 18. Jahrhundert Altbachisches Archiv genannte Sammlung wurde in den 1820er Jahren erstmalig im Druck veröffentlicht und im Bach-Jahr 1935 erneut aufgelegt. Nach dem 2. Weltkrieg galt das Konvolut als verschollen. Erst 1999 tauchte es in Kiew wieder auf.

Johann Sebastians Bachs Vorfahren finden heute vor allem regelmäßig Erwähnung als Berufungsinstanz für sein Ausnahmetalent. Die Wiederentdeckung des Altbachischen Archivs und die aktuelle Forschung zeigen jedoch die eigenständigen Leistungen der Vorfahren und ermöglichen die Rekonstruktion einer glänzenden und in die Region ausstrahlende Musikwelt des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts in Arnstadt.

Für den Bachforscher Peter Wollny (Bach-Archiv Leipzig) gehörte zu den spannendsten Fragen, wer die Noten geschrieben hatte. Hierauf konnte Wollny 2002 nach aufwendigen Schriftvergleichen in verschiedenen Archiven gleich sechs Antworten geben: Er identifizierte die Handschriften von Heinrich Bach, Joh. Michael Bach, Joh. Ambrosius Bach und dessen Bruder Georg Christoph Bach (1642–1697). Es ist nicht sehr überraschend, dass es sich bei Teilen der Sammlung um Autographen der jeweiligen Komponisten handelt oder um Kopien enger Familienmitglieder.

Erstaunlich ist eine eine andere Entdeckung Wollnys. Der größte Teil der Sammlung wurde nicht innerhalb der Familie zusammengetragen: Wollny identifizierte als Hauptschreiber den 1651 in Wandersleben geborenen Ernst Dietrich Heindorff, der ab 1681 bis zu seinem Tode 1724 in Arnstadt als Kantor wirkte. Die sechste Handschrift konnte Wollny Heindorffs Vorgänger Jonas de Fletin zuordnen.

Diese Erkenntnisse sind seit 2002 publiziert. In einer Fußnote weist Wollny sogar auf die Barfüßerkirche als Heindorffs Wirkungsstätte hin. Dennoch fand die Oberkirche als Ursprungsort des Altbachischen Archivs bis heute keine ausdrückliche Erwähnung. Das liegt wohl zum einen daran, daß Arnstadt als Bach-Stadt im Schatten von Leipzig und Eisenach nicht allzu differenziert wahrgenommen wird. Das dürfte aber auch daran liegen, daß die Backirche zu Arnstadt mit der von Johann Sebastian Bach 1703 eingeweihten Wenderorgel im Mittelpunkt des Interesses steht und den Blick auf die zu Bachs Arnstädter Zeit schon seit knapp hundert Jahren viel bedeutendere Barfüßer-, heute Oberkirche, der Kirche der Schwarzburger und des Superintendenten verstellt. 

Joshua Rifkin als künstlerischer Leiter und contrapunctum als Veranstalter wollten für den Bach:Sommer 2012 und im Jahr des 370. Geburtstags der Vettern Georg Christoph und Joh. Christoph Bach als Programm für die Oberkirche ankündigen:

Das Altbachische Archiv kehrt zurück an den Ort seines Ursprungs!

Wegen umfangreicher Bauarbeiten im Innenraum der Kirche war das 2012 und 2013 nicht möglich, so wird dieses Programm 2014 im Mittelpunkt stehen.

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